Die ersten beiden Ausgaben von BERLIN CALLING fanden 2022 in Gera in den alten
Räumen der MIEZE SÜDLICH auf der Sorge statt. Nun, in den neuen Räumen in der
Häselburg, findet die dritte Ausgabe der Reihe statt. Zu sehen sind Arbeiten der Berliner
Künstlerinnen und Künstler Isabelle Borges, Jessica Buhlmann, DAG, Jan Jelinek, Anne
Mundo, Manfred Peckl und Johannes Weiss, kuratiert von Dirk Teschner.
Der Titel spielt auf den bekanntesten Song der britischen Punkband „The Clash“ – London
Calling aus dem Jahr 1979 an.
London Calling entwirft ein Endzeitszenario: Krieg, Hungersnot, Klimakollaps, Flut und
dem Nuklearunfall im britischen Kernkraftwerk Three Mile Island, eingebettet in einen
Refrain, dessen titelgebende Phrase „London Calling“ die Berichterstattung des BBC
World referenziert.
Bei KUNST GEGEN RECHTS, der letzten Ausstellung in der Mieze Südlich, griffen
Künstlerinnen und Künstler neben der Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus und
Rassismus auch diese Themen auf.
Am Tag der Ausstellungseröffnung jährt sich der Beginn des Angriffskrieges russischer
Streitkräfte auf die Ukraine. Das letzte Jahr hinterlässt seine Spuren, auch in den
Ateliers. Einige Arbeiten der beiden Ausstellungen schlagen eine Brücke, wie die für die
Ausstellung BERLIN CALLING Vol. III vor Ort entstandene Arbeit „Arca Colorum“ von
Anne Mundo.
Im kleinen Ausstellungsraum der Mieze Südlich wird eine Installation mit Malerei und
Videografischer Performance zu sehen sein. In der Raumarbeit geht es um einen
künstlerischen Entwurf zwischen behaupteter Macht und Machtlosigkeit in unserem
heutigen Gesellschaftssystem. Durch die Visualisierung von Denkansätzen und einer
Sichtbarmachung des Prozesses entsteht eine künstlerische Arbeit, mit deren Hilfe sich
Anne Mundo an Realitäten annähern kann. Dadurch schafft sie sich ein Bewusstsein über
Identität, Zeit und Raum.
Manfred Peckl beschäftigt sich mit seinen Staubzeichnungen eher mit der
Sichtbarmachung vergangener Spuren in die Jetztzeit. Staub wurde an verschiedenen
Orten von Erfurt, anlässlich einer dortigen Ausstellung im Kunsthaus in kleinen Mengen
gesammelt, an der Synagoge, im Keller des Kunsthauses, in alten Gassen der Altstadt.
Daraus mischte er sich Aquarellfarben und zeichnete damit Pflanzen, die die jeweiligen
Fundorte im Titel tragen. Eine poetische Arbeit über Vergänglichkeit und Gegenwart, was
verschüttet war kommt in einem neuen Gewand zurück.
Das Hauptthema von Isabelle Borges künstlerischen Arbeiten ist der Raum und seine
Wahrnehmung, der Raum hinter dem Raum – der Zwischenraum. Für die aus Brasilien
stammende Künstlerin ist dieser Zwischenraum nicht leer, sondern wie ein Stoff, der sich
faltet und bewegt. Die in ihrer Malerei geschaffene Räumlichkeit entsteht in diesem Sinn
durch die „Faltung“ von Flächen und Linien.
Jessica Buhlmann führt ihre Erkundungen im dichten Material durch und führt die
Betrachter:innen zugleich ins Freie: ihre Arbeiten wirken wie ein frischer Strauß, ein
Bouquet von Formen, Sichten und Durchblicken, wie wir ihnen alle alltäglich begegnen,
ohne aber meistens aufzumerken – es ist die Künstlerin, die sie in die Sichtbarkeit hebt.
Aus dem bloßen Zufall arrangiert sie eine Begegnung, etwas was dort und da existiert,
fügt sich wie notwendig zusammen.
Die Skulpturen von Johannes Weiss haben ihren Ursprung in den Gegenständen des urbanen
Alltags. Mobiliar des Stadtraumes wie Bänke, Straßenlaternen, Mülleimer, Regenrinnen,
Tische und Stühle bieten die Grundlage für Abstraktion.
Durch einen meist monochromen
Anstrich werden die Objekte auf ihre bloße Form reduziert, und der Fokus wird
von der Funktionalität auf die ästhetische Qualität der Dinge verlagert.
Die Objekte sind keine Ready-Mades, sondern die ursprünglichen Gegenstände werden
abgeformt oder nachgebildet.
Wer beim Titel BERLIN CALLING an den Soundtrack von Paul Kalkbrenner zum
gleichnamigen Film denkt, erlebt mit DAG einen Zeitzeugen von Clubkultur der letzten 30
Jahre in Berlin. Obwohl seine Arbeiten längst in Galerien zu sehen sind, sind die Wurzeln
unverkennbar. Der Künstler DAG sagt über seine Arbeiten: „Seit meinem Studium arbeite
ich mit abstrakt-geometrischen Formen. Beeinflusst durch Kasimir Malevich oder Wassily
Kandinsky sind sie der Ausgangspunkt meiner ungegenständlichen Bilder und
Wandmalerei. Als Künstler im post-sozialistischen und wiedervereinigten Berlin habe ich
seit meinen frühesten Arbeiten versucht, eine eigene Handschrift zu finden und einen
Stellenwert in der aufkommenden Techno-Scene der 1990er Jahre einnehmen kann. Das
besondere Klima nach der Wende, zwischen politischem Brachland und einer neuen
Avantgarde, beeinflusst meine Kunst bis heute, die ich, stets an den Grundelementen
Dreieck, Quadrat und Kreis orientiert, weiterentwickele.“
Über Fensterlautsprecher der Häselburg werden Passanten während der Ausstellungszeiten
die Arbeit von Jan Jelinek hören. Die lautpoetische Collage Zwischen - 22 Lautgedichte
von versammelt 22 Antworten auf 22 Fragen. Allen Antworten ist gemeinsam, dass sie
in öffentlichen Interviewsituationen aufgezeichnet worden sind. Aus der Artikulation der
Befragten – allesamt eloquente, in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten – von Alice
Schwarzer über John Cage bis Joseph Beuys und Yoko Ono – werden ihre Verzögerungen
extrahiert und aneinander montiert. Es entstehen Klangcollagen der Stille. Doch ist
diese Stille trügerisch, denn in ihr schweigt lediglich Bedeutung. Hörbar bleibt eine archaische
Körpersprache: Modi des Atmens, Planungsphasen, gärende, nach Sinn ringende
Wortpartikel, die sowohl in lautmalerischen Tumult ausbrechen, als auch in sonores
Rauschen abdriften können.
Isabelle Borges, Jessica Buhlmann, DAG, Jan Jelinek,
Anne Mundo, Manfred Peckl, Johannes Weiss
kuratiert von Dirk Teschner
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